Fuge, tace, quiesce


Oder

Glücklicher todes-kampff der seligen Frauen von Meinders/ gebohrner von Heydekampff

 

Wir arme sterblichen/ wir haben aug' und licht/

Und dennoch fliegen wir wie mutten ins verderben.

Wir fühlen/ wenn der todt uns das genicke bricht/

Nicht aber allemahl/ wann unsre seelen sterben.

Wir riechen zwar das grab/ doch nicht die seuchen an;

Wir schmecken nur das gifft/ nicht aber seine lehren:

Ja/ da wir den Galen als einen gott verehren/

So wird dem Moses offt das ohre zugethan:

Und also sterben wir vor an verstand und sinnen/

Eh unsre lippen schnee/ die glieder eiß gewinnen.

 

Daher entspringt die furcht des Dionysius/

Wenn er sein leben nicht will weib und kindern trauen;

Der irrthum/ daß Tiber die jahre Priamus/

Mecän sich lieber arm/ als sterbend/ wünscht zu schauen.

Daß Brutus wie ein bär nach fremdem blute steigt/

Sich selbsten aber nicht zum tode kan entschliessen.

Ein Xerxes thränen läst um seine völcker fliessen/

Weil ihre sterblichkeit ihm etwan seine zeigt/

Und Massanissa sich mit grimmigen Molossen/

Wie Nero seinen leib mit deutscher macht umschlossen.

 

Ach aber/ thörichte! was seyd ihr doch bemüht

Diß krancke lazareth auff erden rum zu tragen/

Daß aussen zwar die kunst mit scharlach überzieht/

Von innen aber gram und faule würmer nagen?

Es braucht nur einen tag/ uns in die trübe welt/

Und wieder aus der welt in himmel zu versetzen.

Der kennet die natur mit allen ihren schätzen/

Der nur ein eintzig jahr auff erden taffel hält;

Und wer den untergang von Troja hat gelesen/

Der weiß auch was die pracht der gantzen welt gewesen.

 

Man falle wie man will/ durch pulver oder bley/

Man sterbe mit Hostil von donner oder blitzen;

Man bring uns siedend ertzt und schweffel-suppen bey/

Und laß uns in der glut wie den Perillus schwitzen;

Rom sinne neue qual/ Carthago martern aus/

Der stoltze Sylla mag auff seinen hencker pochen/

Die Japonesen gifft und saure träncke kochen;

Es ist doch alles eins/ ob dieses knochen-hauß

Durch wasser oder feur/ früh oder spät verdirbet/

Wenn unsre seele nur nicht mit dem leibe stirbet.

 

Hier aber wancket offt die nadel der vernunfft;

Es ist nicht gleiche kunst zu sterben und zu leben.

Die Celten glaubten auch der seelen wiederkunfft/

Die sie zuweilen doch für wein und gold gegeben.

Der kühne Curtius springt willig in das grab/

Die Decier mit lust in ihrer feinde degen:

Saul will sich lieber selbst als seinen scepter legen;

Doch deren keiner nimmt an der erfahrung ab/

Daß/ wenn die sünde ruhm/ die natter kinder bringet/

Hier insgemein der leib/ und dort die seele springet.

 

Diß hat vorzeiten schon die kluge welt bedacht/

Wenn Plato Gott und mensch zusammen lehrt verbinden.

Pythagoras die lust zu wilden thieren macht/

Und Zeno sich bemüht/ das höchste gut zu finden.

Die schrifft hat folgends sie darinnen ausgeübt;

Gott aber kan es uns mit dreyen worten lehren/

Wann er Arsenium läst diese stimme hören:

Fleuch/ schweige still und ruh! denn wer den himmel liebt/

Der muß die sünden fliehn/ im creutze stille schweigen/

Und eher/ als Gott winckt/ nicht in die grube steigen.

 

Ihr/ die ihr geld und gut vor eure götter schätzt/

Aus manna wermuth macht/ den honigseim verbittert/

Die ordnung der natur aus ihren schrancken setzt/

Und wie ein pappel-strauch vor iedem winde zittert;

Die ihr mit lehren schertzt/ an worten zweiffel tragt/

Kommt und eröffnet hier die augen des verstandes!

Diß todte frauen-bild/ diß muster dieses landes/

Das unser hoff so sehr als ihr gemahl beklagt/

Wird euch und eurer furcht am allerbesten weisen/

Wie man aus dieser welt muß in den himmel reisen.

 

Ihr erster lebens-tag trat voller freuden ein/

Der frühling mischte selbst die nelcken ihrer wangen;

Die glieder schienen klee/ die lippen thau zu seyn/

Von dem die bienen milch/ die schnecken perlen fangen.

Was Rahel an gestalt/ an sitten Esther war/

Das zeigte hier der glantz von ihrem angesichte/

Das wie der morgen-stern mit seinem frühen lichte

Uns allen sonnenschein/ ihm aber ruhm gebahr.

Kurtz: Mund und hertze wieß/ gleich wie ihr stamm der erden/

Daß keine nessel kan aus einer rose werden.

 

Inzwischen kam der tod einst bey gewölckter nacht/

Als wie ein marderthier in ihr gemach gekrochen/

Als gleich diß engel-bild in einen traum gebracht/

Und ihrer augen licht vom schlaffe war gebrochen;

Er sah sie lange zeit mit steiffen augen an/

Ha! sprach er endlich drauff/ was thränen werd ich kriegen/

Wenn dein erblaßter leib wird in dem grabe liegen?

Das seine schönheit schon so vielen auffgethan;

Denn eltern wollen doch mit adlern eh' verderben/

Als ihre kinder sehn in ihrem schoosse sterben.

 

Doch nein! ich irre mich/ ich irre/ fuhr er fort/

Mein amt ist nicht allein auff erden fleisch zu fressen.

Ein allzu früher sturm führt manchen an den port/

Der sonsten noch vielleicht hier würde Gott vergessen.

Bey heyden hab ich nichts als ihre leibes-krafft/

Bey Christen aber auch die seele zu bestreiten:

Drum muß ein Absolon vor in die hölle gleiten/

Eh' mein erhitzter zorn ihn von der erden rafft.

Auff/ mutter/ rüste dich/ erscheine deinem kinde!

Denn was der tod nicht kan/ vollführet doch die sünde.

 

Diß hatt er kaum gesagt/ so ließ die schlangen-brut/

Die tochter Lucifers/ die sünde/ sich erblicken;

Ihr angesicht war gifft/ die lippen drachen-blut/

Die armen schneidend stahl/ die füsse bettler-krücken.

An ihrem halse hieng ein dünnes zauber-glaß/

Mit dieser überschrifft: durch lügen und betriegen.

Die brust war kaum zu sehn vor einem hauffen fliegen/

Der mit der grösten lust von ihrem eyter fraß:

Von hinten folgten zwar der glaub und das gewissen;

Doch beyden waren auch die augen ausgerissen.

 

Hier hast du/ liebster sohn/ sprach dieser höllen-brand/

Die diener deines staats/ die satan dir erkohren/

Nachdem er dich aus mir/ mich aber sein verstand/

Wie vormahls Jupiter Minerven/ hat gebohren.

Indem so jagte sie die fliegen in die höh/

Und sieh! den augenblick ward eine zur Megeren/

Die andern kehrten sich in rasende Chimeren/

So wie ihr gantzer kopff in eine feuer-see:

Viel aber sah man auch an gliedern und geberden

Wie den Lycaon einst zu thier und wölffen werden.

 

Erschrick nicht/ bließ sie drauff ihm in die ohren ein/

So sind die laster nur dem wesen nach gebildet:

Itzt aber solstu sehn/ wie dieser zauber-schein

Sie wieder durch den glantz als engel übergüldet.

Hierauff verdrehte sie den spiegel in der hand/

Und spritzte siebenmahl aus ihrem faulen rachen:

Gleich überwurffen sich die ungeheuren drachen/

Und traten ingesammt wie kinder an die wand:

Die wölffe machten sich zu angenehmen frauen/

Und in Megera war Medusa selbst zu schauen.

 

Aurora ist so schön bey frühem morgen nicht/

Wenn sie die tropffen noch von ihrem purpur schüttelt;

Nicht Ledens schwanen-kind/ wann es die schalen bricht/

Und der verliebten welt witz und verstand zerrüttelt/

Als diese furie nach ihrem wechsel schien:

Die augen brandten ihr wie zwey erhitzte sonnen/

Die glieder hatten selbst narcissen übersponnen/

Die wangen färbten sich wie spanischer jasmin/

Von unten aber war auff einer feuer-flammen

Die kurtze schrifft zu sehn: Lust und verlust beysammen.

 

Gleichwohl kam ihre pracht nicht denen andern bey/

Die als 2 Gratien ihr gegenüber stunden:

Denn eine hatte gar mit rother liberey

Den thurn von Babylon auff ihren kopff gebunden/

Aus dem ein trüber rauch mit diesen worten fuhr:

Je weniger ich bin/ je höher will ich steigen.

Der zierath ihrer brust war von corallen-zweigen;

Denn dieses kraut und wir sind einerley natur;

Weil seine rancken bloß von kühler lufft der erden/

Wir durch den hochmuths-wind zu harten steinen werden.

 

Die andre übertraff das gantze Morgenland/

Durch ihren kleider-schmuck an perlen und rubinen:

Die schuh bedeckte gold/ die stirne diamant/

Die haare muste Rom mit puder sebst bedienen;

Der mund stieß einen dampff von amber-kugeln aus/

Zur seiten aber stund ein tisch von helffenbeine/

Und neben dem ein faß mit Syracuser weine/

Die speise selber war ein grosses zucker-hauß/

Ein Indisch vogel-nest und eine Scarus-leber/

Mit dieser überschrifft: Der seelen todten-gräber.

 

Hier siehstu (fieng indem die sünde wieder an)

Drey frauen/ lieber sohn/ die alle welt bethören:

Die erste zeiget ihr der wollust süsse bahn;

Die andre ist der geist der hoffart und der ehren;

Die dritte wohnet meist der reichen jugend bey/

Und läst/ dem nahmen nach/ sich die verschwendung nennen:

Die kinder geben dir hingegen zu erkennen/

Daß jede missethat klein und verächtlich sey/

Biß hölle/ furcht und tod das rechte bild gebähren/

Und ihren mücken-kopff in elephanten kehren.

 

Diß sagte sie/ und flog als wie ein blitz davon/

Die kinder folgten ihr/ die frauen aber blieben/

Und einer ieden ward durch ihren dürren sohn

Ein gantzer zettel voll zu schaffen vorgeschrieben.

Die erste probe nahm die wollust über sich/

Allein ihr witz bestund wie butter an der sonne:

Denn unsre selige schlieff voller lust und wonne;

Weil Gottes engel nicht von ihrer seiten wich/

Und alles/ was diß weib an träumen nur erdachte/

Wie warme lufft den schnee/ zu schaum und wasser machte.

 

Der morgen zeigte kaum das lichte rosen-tuch/

So fieng das zauber-aß schon wieder an zu spücken:

Denn bald versuchte sie durch ein verliebtes buch/

Bald durch ein nacktes Bild die seele zu berücken;

Bald bließ der ärmsten sie die falsche lehren ein:

Die jungfern wären ja von fleisch und blut erschaffen/

Die tugend aber nur ein blinder traum der pfaffen/

Die weder Gott/ noch mensch/ noch engel wolten seyn.

Viel hätten sich daran zu tode zwar geschrieben;

Doch wär ihr hertze stets bey schönen weibern blieben.

 

Diß pfiff der seligen die schlange täglich für.

Allein ihr guter geist rieff allemahl dagegen:

Fleuch! Leonore fleuch! denn wollust und begier/

Sind jäger/ die der welt vergüldte stricke legen.

Von forne beut ihr mund zibet und zucker an/

Von hinten stechen sie wie falsche scorpionen.

Die blumen ihrer lust sind weisse liljen-kronen/

Die wurtzel aber schmeckt wie bittrer majoran/

Die frucht wie honigseim/ der nur den mund verführet/

Und doch im magen nichts als gall und gifft gebiehret.

 

Und also blieb ihr hertz von aller regung frey/

Biß glück und himmel sie an ihren Meinders bunden.

Inzwischen hatte sich das kind der phantasey/

Die hoffart/ in den platz der wollust eingefunden.

Ihr gantzes reden war: Ein feuer müste licht/

Ein grosser seine macht auch in geberden weisen.

Die bürger hätte Gott aus grobem bley und eisen/

Des adels hohen geist von golde zugericht;

Drüm wüsten jene sich so wohl in krumme rücken/

Und diese wie ein leu zum herrschen nur zu schicken.

 

Hingegen wandte gleich ihr engel wieder ein:

Fleuch! Leonore fleuch! Denn ehre/ stand und adel

Sind ohne demut das/ was lampe ohne schein/

Granaden ohne kern/ Compaße sonder nadel.

Gott hat ihm Sions berg/ und keinen Apennin/

Den kleinen David nur/ nicht riesen/ auserlesen/

Der allererste mensch ist staub und koth gewesen/

Zur lehre: daß er stand und kronen solte fliehn;

Nachdem er aber Gott und die vernunfft verlohren/

Hat er den adel zwar/ doch auch den tod gebohren.

 

Was hilfft es? fuhr er fort/ daß man die halbe welt

Mit Alexandern kan in seinem titul tragen?

Je näher man den geist zur sonnen-kugel stellt/

Je weiter muß man sich auch in den donner wagen.

Gelück und ehre sind auff erden kinder-art:

Sie geben gerne viel und nehmen gerne wieder:

Der anfang ihrer lust sind halleluja-lieder;

Das amen aber ist mit weh und ach gepaart:

Denn eh die wind ein rad/ wir eine hand/ umtreiben/

Kan Gott auff ihre lust schon Mene/ Tekel/ schreiben.

 

Nachdem der hoffart nun der bogen auch zerbrach/

Trat die verschwendung auff/ den fehler zu ersetzen.

Was brauchstu/ sagte sie/ der stoltzen ungemach/

Die wie die blasen sich am winde nur ergetzen?

Der ist der gröste fürst/ der viel bezahlen kan.

Denn gold und reichthum sind der ehre käyser-kronen/

Wo diese Götter nicht in einem hause wohnen/

Da schreibt die gantze welt verachte titel an.

Drum zeige/ wer du bist/ im speisen und im kleiden:

Denn sterne muß der glantz/ die menschen silber scheiden.

 

So artig wissen uns die laster ihren gifft

Gleichwie ein panther-thier den rachen zu verdecken;

Gott aber und sein geist beweisen aus der schrifft/

Daß tod und schlangen auch in paradiesen stecken.

Zwar schätze könten ja wie feuer nutzbar seyn:

Nur aber/ wo sie knecht/ nicht/ wo sie herren würden.

Denn hirten schlieffen eh bey dürren schäfer-hürden/

Als ein verschwendisch hertz bey tausend kronen ein.

Und wenn sich Lazarus auff rosen liesse wiegen/

Säh man den reichen mann erst unter dornen liegen.

 

Hier strich die selige den dampff der eitelkeit/

So wie der morgen uns den schlummer aus den augen;

Was buhlt man (sagte sie) doch gütern dieser zeit/

Wenn wir aus gelde gifft/ aus perlen armuth saugen?

Bezaubert durch den glantz/ ihr schätze/ wen ihr wollt;

Speist den Empedocles mit ochsen von gewürtzen;

[Last einen Nero sich in milch und balsam stürtzen/]

Es ist doch bettelwerck um menschen und um gold:

Denn beyde kommen nur von einem klumpen erden/

Und beyde müssen auch zu staub und asche werden.

 

Wie der Chamäleon/ wenn er vor eyfer bebt/

Und durch den speichel hat die schlangen überwunden/

Alsdenn der augen licht zur sonnen auffwärts hebt/

Ob hätt er seine krafft in dieser glut gefunden;

So sah ihr geist hierauff auch Gott und himmel an/

Und sprach: du feuer-brunn des ewigen verstandes/

Du dämpffst durch deinen strahl den nebel unsers brandes/

Und kanst alleine thun/ was ich nur wollen kan./

O Herr/ erleuchte mich und lehre meine sinnen

Diß eine! daß sie dich und Christum lieb gewinnen.

 

In diesem stande nun fand der ergrimmte tod/

Bey seiner wiederkunfft/ das lager ihrer seelen;

Wie? schrie er/ weiß man hier von keiner höllen-noth/

Und herrscht der himmel noch in dieser bettel-hölen?

Verschmitzte furien/ beweiset eure that.

Was aber müh ich mich? mein wüten ist vergebens.

Ein frommer tadelt stets den zucker dieses lebens/

Der in dem hause selbst noch keine myrrhen hat:

Doch dürfft ich einmahl nur am leibe sie versuchen/

Was gilts/ sie solte Gott in sein gesichte fluchen.

 

Gott (rieff der engel drauff) hat dieses auch erlaubt.

Den augenblick verschwand das feuer ihrer glieder;

Die nerven wurden matt und ihrer krafft beraubt/

Die füsse suncken so wie schwache blumen nieder.

Und also lag nunmehr diß wunderwerck der welt/

Als wie ein marmel-fels/ in den die donner schlagen:

Gleich wie ein ceder-baum/ der/ wenn er frucht getragen/

Des abends durch den stoß der winde niederfällt.

Der tochter hatte sie durch die geburt das leben/

Ihr selber unvermerckt den halben todt gegeben.

 

Wer weiß/ was für ein schatz in der gesundheit steckt/

Wer von der ungedult des Polemons gelesen/

Wie er lebendig sich mit erde zugedeckt/

Womit er sterbend nur von seiner gicht genesen/

Wer glaubt/ was Heraclit/ was Chiron hat gethan/

Der kan ihm leicht ein bild von ihrem hertzen machen.

Es wanckte/ wie ein mensch auff einem engen nachen/

Den weder hand noch müh vom sturme retten kan.

Bald seufftzte sie zu Gott/ bald ließ sie was verschreiben;

Doch beydes war umsonst/ sie muste lahm verbleiben.

 

Und damit stellte sich nun die verzweifflung ein/

Und bließ ihr nach und nach den kummer in die ohren:

Der himmel fragte nichts nach ihrer schweren pein/

Und hätte sie vielleicht zur straffe nur gebohren.

Denn Gott erhörte ja die seinen in der noth/

Er trüge selber sie wie kinder auff den händen:

Das gute wüst' er zu- das übel abzuwenden/

Und keiner fiele hier durch sünden in den todt/

Den nicht sein strenger zorn/ eh noch die that geschehen/

Schon hätte längst vorher zur höllen ausersehen.

 

Auff die verzweiffelung kam schmertz und ungedult/

Und sprach: gesetzet auch/ daß dich der himmel liebet/

Daß du wie Hiob nicht die ruthen hast verschuldt/

Daß dir der glaube trost/ das ende hoffnung giebet:

Wie aber wilstu wohl die grosse last bestehn?

Dein elend kan vielleicht noch 50 jahre währen:

Inzwischen must du dich gleich wie ein wurm verzehren/

Und täglich seuffzend auff- und weinend niedergehn.

Drum segne Gott und stirb! denn solche schwulst und beulen

Muß wie den kalten brand/ nur stahl und messer heilen.

So schwatzte fleisch und blut; iedoch ihr treuer geist

Rieff allemahl zugleich: Schweig! liebe Leonore:

Denn wer im leben hier die strasse Sodoms reist/

Trifft selten/ wenn er stirbt/ den weg zu Salems thore.

Ein iedes element/ der himmel und die welt/

Sind ihrer ordnung nach mit der natur zu frieden.

Der blinde mensch allein will neue lehren schmieden/

Und tadelt/ was ihm Gott zur regel fürgestellt.

Bald ist ihm sonnenschein/ bald schnee und wind zu wider/

Bald wirfft ihn seine pracht/ bald der verlust darnieder.

 

Ach aber! fuhr er fort/ ihr klagt/ und wisset nicht/

Verkehrte sterblichen/ was eurer wohlfahrt dienet:

Die beste salbe wird von schlangen zugericht/

Und keine rebe nutzt/ die ohne thränen grünet.

So muß ein frommer auch durch sorgen und durch pein/

Wie rostiges metall/ im feuer sich verklären:

Beym glücke muß er nichts als zweiffel nur gebähren/

Im creutze voller trost und voller hoffnung seyn.

Denn einen Moses kan nicht sturm und welle schwächen/

Ein Eli seinen halß auch auff dem stule brechen.

 

Durch dieses ward ihr hertz so wie ein mandel-baum

Von thau und warmer lufft mit neuer krafft erfüllet:

Drum hielt sie schmertz und leid vor einen blossen traum/

Der/ wenn die nacht vergeht/ auch allen kummer stillet;

Doch als sie 19 jahr nach ihrer seelen-ruh/

Nicht anders als ein weib in der geburt gestehnet/

So gab der himmel ihr/ wornach sie sich gesehnet/

Und rieff ihr endlich auch den letzten willen zu.

Und damit legte sie den schwachen cörper nieder/

Und sang/ nach schwanen-art/ noch diese sterbe-lieder:

 

Mein Meinders gute nacht! wir haben obgesiegt.

Dein unglück scheidet nun auff einmahl von der erden.

Durch mich ward ehermahls dein treues hertz vergnügt/

Durch mich hat seine lust auch müssen wittbe werden.

Itzt bricht der süsse todt die lange finsterniß/

Das licht ist mir und dir auff einen tag erschienen.

Du solt noch in der welt und ich im himmel grünen:

Drum weine nicht/ mein schatz/ um diesen liebes-riß.

Denck aber/ wenn du noch wirst meinen nahmen lesen/

Daß ich zwar elend bin/ doch auch getreu gewesen.

 

So sagte sie/ und gab der erden gute nacht:

Ihr engel aber trug die seele nach dem himmel.

Denselben augenblick ward alles zugemacht;

Das hauß erfüllte sich mit einem traur-getümmel;

Wie aber stellte sich der blasse höllen-geist?

Gleich wie ein tiegerthier/ dem man die jungen raubet;

Wie ein erzürnter leu/ der in dem felde schnaubet/

Wann man den morgen-raub ihm aus den klauen reist.

Doch endlich gieng er auch/ wo geister hingehören/

Und schrieb nur an die wand noch diese sittenlehren:

 

Ihr blinden sterblichen/ laufft für dem tode nicht!

Ihr selber seyd der tod und mörder eurer seelen:

Ihr werdet/ weil ihr lebt/ nicht wann ihr sterbt/ gericht:

Die sünden sind die grufft/ und nicht die grabes-hölen.

Drum sterbet/ eh ihr sterbt/ und lebet/ eh ihr lebt;

Denn todt und leben wird nach eurem abgemessen.

Der scheinet euch nur tod/ den schlang und würmer fressen;

Der aber ist schon tod/ den seine lust begräbt.

Ich habe keinen theil an dieser neuen Leichen.

Ihr mögt ihr/ wie ihr wollt/ die letzte pflegung reichen.

 

Diß alles ist geschehn/ der cörper ist versenckt/

Und in die kalte grufft mit ehren beygesetzet.

Wie kommts denn/ daß ihr euch bey ihrem glücke kränckt/

Betrübte/ die sie doch bey ihrer qval ergetzet?

Soll sie noch länger hier auff erden elend seyn?

Soll sie noch einmahl sich vom tode martern lassen?

Ach! gönnet andern diß/ die Gott und himmel hassen/

Und stimmet itzt mit mir in diese lieder ein:

Wohl iedem/ welcher so wie Leonora fliehet/

Wie Leonora schweigt/ wie Leonora blühet!



(* 1665-03-27, † 1729-08-15)



Weitere gute Gedichte von Benjamin Neukirch zum Lesen.