Sonett


Wer wußte je das Leben recht zu fassen,

Wer hat die Hälfte nicht davon verloren

Im Traum, im Fieber, im Gespräch mit Toren,

In Liebesqual, im leeren Zeitverprassen?

 

Ja, der sogar, der ruhig und gelassen,

Mit dem Bewußtsein, was er soll, geboren,

Frühzeitig einen Lebensgang erkoren,

Muß vor des Lebens Widerspruch erblassen.

 

Denn jeder hofft doch, daß das Glück ihm lache,

Allein das Glück, wenn′s wirklich kommt, ertragen,

Ist keines Menschen, wäre Gottes Sache.

 

Auch kommt es nie, wir wünschen bloß und wagen:

Dem Schläfer fällt es nimmermehr vom Dache,

Und auch der Läufer wird es nicht erjagen.



(* 1796-10-24, † 1835-12-05)



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