Hellas


Lustig kommt das Schiff geschwommen,

Hat manch’ fernen Strand geküßt;

Neuer Gast, sei uns willkommen!

Schöner Fremdling, sei gegrüßt;

 

Trägst ein Röcklein schmuck von Eichen,

Das manch’ blanke Spang’ umfaßt,

Trägst ein gutes Wanderzeichen,

Deinen Strauß: die Flagg’ am Mast!

 

Sei gegrüßt in diesen Wogen,

Hellas’ Flagge, blau und weiß!

Blau gleichwie des Himmels Bogen,

Und wie seine Wolken weiß!

 

Sieht man deinen Himmelsfarben

Doch den theuren Kauf nicht an,

Wie viel Helden für dich starben,

Wie viel Blutes für dich rann!

 

Ahnt im Blau der Himmelskläre

Ihr das Frühroth, dem’s entstammt?

Und im stillen blauen Meere,

Wie es jüngst im Sturm geflammt?

 

Sieh das Schiff geschaukelt linde,

Mit den Wimpeln fächelnd mild,

Gleich der Wiege heit’rem Kinde,

Das mit bunten Bändern spielt!

 

Horch, was brausen jetzt für Lieder?

Ist es eines Menschen Sang?

Oder naht ein Sturm uns wieder,

Dem der schwarze Fittig klang?

 

Ha, das sind der Helden Lieder,

Ha, das ist hellen’scher Sang!

Und wohl naht der Sturm auch wieder,

Aufbeschworen von dem Klang!

 

Denn er donnert, wie’s von tausend

Klephtenbüchsen einst erscholl,

Wie von allen Bergen brausend

Einst der Ruf der Freiheit schwoll!

 

Und er klingt wie Schwerterklirren,

Hallt wie eh’rner Männer Gang,

Rauscht, wie wenn die Brander schwirren

Durch die Nacht erwartungbang.

 

Jetzt des Todesengels Fächeln

Ueber jener heil’gen Schaar!

Jetzt des Türken letztes Röcheln,

Schon belauscht vom Leichenaar!

 

Jetzt Gedröhn, wie wenn die Feste

Auffliegt mit gesprengtem Wall!

Wie der heil’gen Tempelreste

Grauser, thränenwerther Fall!

 

Hellas, hast gut angeklungen

Mit den Zungen, mit dem Schwert!

Wahrlich, wer solch Lied gesungen,

Ist wohl auch der Freiheit werth!

 

Stolz und herrlich schwebt dir wieder

Des Gesanges Schiff heran,

Wehte nur vom Borde nieder

Nicht die schwarze Trauerfahn’!

 

Wär’s mit Leichen nicht beladen!

Zög’ durch jeglich Tau nur nicht

Jener rothe blut’ge Faden,

Wie ihn Brittenbrauch sonst flicht!

 

Sänger, laß dein Antlitz schauen!

Du bist’s, Knabe, lockenreich?

Ei, wie kommt dies Lied voll Grauen

Aus den Lippen zart und weich?

 

Gleich als ob ein Aar sich schwänge

Aus dem Lilienkelch empor!

Gleich als ob ein Leue spränge

Aus der Rosenlaube vor!

 

Lerne statt des Blutlieds, Junge,

Lieder, dir an Anmuth gleich,

Noch geschmeidig ist die Zunge,

Und die Lippen sind noch weich.

 

Sing’, o Hellas, andre Weisen,

Lehr’ dein Kind ein ander Lied,

Von dem Kampf, in den das Eisen

Gen die spröde Scholle zieht!

 

Laß es klingen, wie im Thale

Deiner Schnitter Sichelklang,

Wie der Becher Ton beim Mahle,

Wie von Bergen Winzersang!

 

Laß es rauschen, wie am Strome

Und in Häusern rauscht dein Fleiß,

Laß es hallen, wie im Dome

Der Gemeinde Dank und Preis!

 

Säuselnd wie das Blattgewebe

Jenes Kranzes dichtbelaubt,

Welchen Oelbaum, Lorbeer, Rebe

Schlingen, Hellas, um dein Haupt.

 

Knabe, dann einst steuerst wieder

Du als Greis wohl gen das Land,

Singst die neuen schönern Lieder

Unsern Enkeln vor am Strand.

 

Manch ein Sang voll Segensbornes

Deinem Munde dann entglüht,

Wie die junge Aehre Kornes

Zwischen zweien Lippen blüht!

 

Dich umklingt gleich altem Baume

Gold’ner Bienlein Liederschaar,

Du auch weißt’s, in deinem Raume

Quillt’s von Honig süß und klar.

 

Und die Lieblichkeit der Lieder

Ueberglänzt dein Antlitz, Greis,

Wie auf Taygetos hernieder

Morgenroth um schimmernd Eis.



(* 1808-04-11, † 1876-09-12)



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