Elfenkönig O’Donoghue


Die Maiensonn’ kommt aus dem See gezogen

Wie eine Kön’gin aus des Bades Fluth,

Noch schwimmt der Purpurmantel auf den Wogen,

Sind’s glüh’nde Fluthen, ist es flüss’ge Gluth?

Weißbärt’ge Diener dort: die alten Berge,

Sie bringen Goldgeschmeid’, der Schönheit Zoll;

Die jungen Hügel hier: dienstfert’ge Zwerge,

Sie stehn, mit Blumen alle Hände voll.

 

Seht nun, wie’s kocht im schäumenden See!

Aufsprüht’s, wie stäubende Flocken von Schnee,

Und wühlt, wie mit Rossehuf, sich hervor,

Und glitzert, wie flammende Panzer, empor.

 

Auf weißem Rosse steigt, im Waffenglanze,

Ein junger Held aus der gespalt’nen Fluth;

Ob auch das Schlachtschwert an den Lenden ruht,

Schlingt doch ums Haupt der Oelzweig sich zum Kranze.

Ob Schild und Panzer sich zum Kriegsschmuck eine,

Spricht Frieden doch die milde Gluth des Blicks,

Und ob er auch der rauhe Kriegsgott scheine,

Ist Schutzgeist er des Friedens und des Glücks.

 

In kühlen Fluthen, da blüht sein Reich,

An Fried’ und Segen ist keines ihm gleich:

Und daß er auch segn’ und beglücke die Welt,

Erscheint mit dem Lenz alljährlich der Held.

 

Vor Allen doch will er die Menschen segnen,

Die seiner stillen Friedensbahn begegnen;

Beglückt, wer ihm ins Auge schauen kann!

Da zündet Lieb’ ihr mildes Licht sich an,

Der goldne Friede blickt aus seinen Augen,

Und Elend wandelt sich in blühend Glück,

Der blasse Tod selbst könnte Leben saugen

Und Siechheit Kraft aus seinem Wunderblick.

 

Hieher, o Freundschaft, den welkenden Kranz!

Rasch sprühn die Blumen im Frühlingsglanz.

O Wehmuth, hieher dein gebrochenes Herz!

Bald schlägt es entfesselt von Sorg’ und Schmerz.

 

Seht seine Schaar in Schneegewändern glänzen,

Von Perlen trieft das weiche Lockenhaar,

Hier bieten Jungfraun goldne Früchte dar,

Dort winken Jünglinge mit Blumenkränzen.

Und überm Wasser singt’s wie junge Quellen,

Wenn Rosen singen könnten, wär’s ihr Klang;

Ist das ein Frühlingspsalm der jungen Wellen?

Ist’s liebestrunk’ner Elfen Zaubersang?

 

»Hieher, all’ ihr Menschen, und hieher den Blick!

O’Donoghue naht und spendet euch Glück;

Die Sonn’ ist erglüht, o seht, wie sie blinkt!

Das Glück ist erblüht, o seht, wie es winkt!«

 

Da hüpft der Gießbach froh in schnellerm Drange,

Fromm blickt das Veilchen blauen Aug’s empor,

Zur Sonne steigt ein junger Lerchenchor,

Und Ros’ an Rose lehnt die glüh’nde Wange;

In Morgenwolken taucht die Fichte kühn,

In Lilienkronen Diamanten blinken,

Wie Freudenfeuer glühn der Berge Zinken

Und Gräber kleiden sich in Hoffnungsgrün.

 

Und was sich noch regen und singen kann,

Laut schwebt’s im Liedersturme heran;

Ach, aber kein Mensch vernahm den Gesang,

Kein Mensch die weiten Gefild’ entlang!

 

Schon will mit seiner Schaar hinab der Held

Ins Reich des Friedens, in die Heimatwelt;

Noch einmal flammt der Schild, die Panzer glänzen

Noch einmal scharrt der Rosse Silberhuf,

Noch einmal winkt es mit des Segens Kränzen,

Noch einmal freundlich lockt des Liedes Ruf;

Sieh da, jetzt kann’s sein forschend Aug’ erspähn:

Ein Menschenpaar auf blum’gen Ufershöhn!

 

Im Grünen, da ruht ein liebendes Paar,

Das blickt sich ins Antlitz, so innig und klar,

Das blickt sich ins funkelnde Aug’ hinein

Und sieht nicht die Welt, sieht sich nur allein.

 

Der Kranz winkt wieder, – ach sie sehen nicht!

Gesang ertönt, umsonst, – sie hören nicht!

Der Held blickt segnend auf die Fluren wieder,

Jetzt aber fährt er in die Fluthen nieder,

 

Die luft’ge Elfenschaar sinkt tönend ein,

Und ruhig drüber rauscht der Wogen Reihn.

Doch, wo sie sanken, an derselben Stelle

Taucht nun ein Blumeneiland aus der Welle.

 

Die Liebenden ruhn umschlungen, wie vor,

Nur seliger pochen die Herzen empor,

Der Himmel ist doppelt goldig und licht;

Doch wie es so kam? – sie wissen es nicht.



(* 1808-04-11, † 1876-09-12)



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