Elfe und Kobold


Stehn zwei Sennenhütten ferne,

Wo die Alpenwiese lacht,

Ob den Giebeln halten Sterne,

Blumen vor der Schwelle Wacht.

 

In dem Moos der einen Hütte

Schläft die blonde Sennin leis;

Welches Alpenkind bestritte

Ihr der Schönheit ersten Preis?

 

Daß mein Aug’ noch Schön’res labe,

Müßt’ ich wandern wahrlich weit,

Wenn du, schöner Jägerknabe,

Nicht ihr lägest hier zur Seit’!

 

Und der Elf’, der weiße feine,

Der dieß Hüttlein treu bewacht,

Legt zu Häupten ihnen eine

Frische Rosenknospe sacht.

 

Als das Knöspchen aufgegangen

War zur blüh’nden Rose kaum,

Hat die Schlummernden umfangen

Gar ein lieblich süßer Traum.

 

In dem Moos der andern Hütte

Schläft die braune Alpenmaid;

Welch Gebirgskind wohl bestritte

Ihr den Preis der Häßlichkeit?

 

Daß Unholdres ich entdecke,

Müßt’ ich wandern wahrlich weit,

Wenn du, Köhler, schwarzer Recke,

Nicht ihr lägest hier zur Seit’!

 

Der Kobold, der braune Kleine,

Der dieß Hüttlein treu bewacht,

Legt zu Häupten ihnen eine

Frische Rosenknospe sacht.

 

Als das Knöspchen aufgegangen

War zur blüh’nden Rose kaum,

Hat die Schlafenden umfangen

Gar ein lieblich süßer Traum. –

 

Morgens als erzählt ihr Träumen

Dieses sich und jenes Paar,

Mocht’ es sich gar seltsam reimen,

Daß derselbe Traum es war!

 

Morgens als im Himmelsgarten

Früh der liebe Gott spaziert,

Seine Blumen mild zu warten,

Deren Pracht sein Haus umziert;

 

Fand er alle blühn zum Besten,

Sonnenrosen üppig glühn,

Feuerbüsch’ in Flammenästen,

Sternenblumen duftig sprühn;

 

Nur vom blühendsten Gesträuche,

Das ganz voll von Rosen stand,

Kamen Nachts ihm zwei ganz gleiche

Schöne Knospen heut’ abhand.



(* 1808-04-11, † 1876-09-12)



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