Einem Freunde


1.

 

Glücklicher, dir ward gegeben

Gar ein schöner großer Schmerz,

Für dein ganzes reiches Leben,

Für dein ganzes volles Herz!

 

Eine Sonnenblume deuten

Möcht’ ich deinen tiefen Schmerz,

Die, all deine Tageszeiten

Grüßend, kreiset um dein Herz.

 

Wär’s nur Unkraut kleiner Schmerzen,

Unmuths dürftig Dornenreis,

Spräch’ ich: Reiß’ es aus dem Herzen,

Gib es allen Winden preis!

 

Spräche: Laß es nicht umstricken

Wuchernd deinen Lebenspfad,

Laß das Schlingkraut nicht erdrücken

Deine junge Rosensaat!

 

Doch es ward im Gartenraume,

Welchen sonst du nennst dein Herz,

Wohl zum höchsten grünen Baume

Dieser heil’ge große Schmerz;

 

Eine Palme, der Gehege

Deines Gartens Kron’ und Preis,

Und zu der sich alle Wege

Schlängeln schön zurück im Kreis!

 

Die ihr Haupt hoch in den Himmel,

Wurzeln tief zur Erde kehrt,

Daß du zweifelst, ob dem Himmel,

Ob der Erde sie gehört?

 

Hingestellt so zwischen beide

Als die schönste Mittlerin,

Wächst sie aus der Blumenheide

Wipfelnd in die Sterne hin.

 

Laß kein Blättlein ihr entwenden

Durch der Lüfte Schmeichelspiel!

Laß unheil’ge Hand nicht schänden

Ihres Stammes schlanken Kiel!

 

Halte fern die Epheuranken,

Welche Menschentrost drum schwellt,

Die den Baum nicht machen wanken,

Doch durch die sein Schaft entstellt!

 

Nicht bedarf’s, ihn zu begießen,

Deiner Thränen köstlich Naß;

Früh- und Abendthaue fließen

Ja auf ihn ohn’ Unterlaß.

 

Aus den stillen grünen Matten

Rag’ er schweigend, hoch, allein!

Einst in seinem Abendschatten

Wird ein süßer Schlummer sein.

 

2.

 

Einst an jenem großen Tage,

Wenn wir treten allzumal

An des Ew’gen Hofgelage

In den offnen Himmelssaal:

 

Da wird bang manch Herz erzittern,

Scheu gesenkt sein manch ein Blick;

Doch dein Herz, das wird nicht zittern

Und nicht senken sich dein Blick.

 

Und dein Fuß, er wird nicht wanken,

Schreiten wirst du fest und grad,

Nicht wie Einer, der zu danken,

Nein, wie der zu fordern naht!

 

Wie im Fürstensaal der Arme

Stolzen Auges rings erblickt,

Daß mit seinem Schweiß und Harme

Sich die Majestät hier schmückt!

 

Wenn du zu des Ew’gen Füßen

Einen Blumenozean

Siehst in Farbenwogen sprießen,

Rufst du frei und kühn hinan:

 

»Herr, von diesen Rosen eine

War schon einst als Knospe mein!

Arm ward ich, seit sie die deine,

Du nicht reicher, seit sie dein!«

 

Eine Glorie siehst du wallen,

Die das Haupt des Ew’gen kränzt,

Aus den Morgenröthen allen,

Die der Erde je geglänzt.

 

Ohne Scheu wirst du nun fragen:

»Herr, vom Lichtkranz, der dich ziert,

Hätte meinen Erdentagen

Nicht wohl auch ein Strahl gebührt?«

 

Harfen schlagen Engelchöre

Um des Allgewalt’gen Thron,

Und du rufst mit einer Zähre,

Furchtlos, doch im Schmerzenton:

 

»Herr, es war zum Erdgeleite

Einer dieser Engel mein!

Du nahmst mir ihn von der Seite, –

Hergewankt bin ich allein!«



(* 1808-04-11, † 1876-09-12)



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