Ein Ritt über die Haide


Es ritten über die weite Haide

Zwei Ritter, Freunde in Lust und Leide.

Da ragt kein Baum und kein Vogel singt,

Da säuselt kein Laub, kein Bächlein klingt,

Kein Röslein glüht; nur im falben Kleide

Weithin dehnt stumm sich die glatte Haide.

 

Erst reiten sie still dahin mit Schweigen,

Wie also die Art ist Freunden eigen,

Denn spräch’ auch Dieser hier aus das Wort,

Längst fühlt’s und denkt’s der Andre dort;

Nur weil so todesstumm die Haide,

Fährt mählich Redelust in Beide.

 

Der Eine spricht: »Wenn ich die Blicke

Weit über dieß Haidefeld ausschicke,

Muß diesen unbegrenzten Raum,

Der ohne Wechsel und ohne Saum,

Als Bild der Ewigkeit ich deuten,

Der unsre Seelen entgegenschreiten.«

 

Der Andre meint: »Ich bin’s zufrieden,

Ist’s unsern Leibern und Seelen beschieden,

Wie der Staub, von unsern Rossen gestampft,

Wie der Hauch, aus ihren Nasen gedampft,

Ein Weilchen über die Haide zu treiben,

Mag auch die Haide urewig bleiben!«

 

Der Erste drauf: »So hältst du in Ehren,

Mißrathner Sohn, der Mutter Lehren!

Für dich umsonst vergossen ist

Des Herren Blut, abtrünniger Christ!

So ist dir des Menschen heiliger Glaube

Nur der des Thiers, des Wurms im Staube!«

 

Der Andre dann: »Brennt dir unterm Schopfe

Des Herren Lichtlein umsonst im Kopfe?

Und hast du’s, eh’ es geleuchtet, gestutzt?

Hat dir’s das Pfäfflein pfiffig geputzt?

Sonst müßtest du als Glück es ehren,

Wenn wir das Würmlein im Sonnenglanz wären?«

 

»Wohlan, du Gotteslästrer, verderbe!«

»Wohlan, du Pfaffenknecht, so sterbe!«

Zum Kampf gewendet Pferd gen Pferd!

Zum Hieb geschwungen Schwert gen Schwert!

Ins Herz getroffen und fallend Beide!

Drauf flücht’ger Staub über ewiger Haide.

 

Ich meine, die Schuld an solchem Leide

Trägt nur die öde, stumme Haide;

Wenn sie geritten im Palmenhain,

Sie würden zur Stunde noch Freunde sein;

Wenn sie geritten im Blumenhage,

Sie ritten wohl noch am heutigen Tage.



(* 1808-04-11, † 1876-09-12)



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