Die Dicken und die Dünnen


Fünfzig Jahre sind’s, da riefen unsre Eltern zu den Waffen:

Krieg und Kampf den dicken, plumpen, kugelrunden, feisten Pfaffen!

Auch in Waffen steh’n wir Enkel; jetzt doch muß die Losung sein:

Krieg und Kampf den dünnen, magern, spindelhagern Pfäffelein!

 

Aber wo gab’s größre Arbeit, welcher Kampf bot mehr Gefahren?

Wo galt’s fester auszudauern, wo galt’s klüger sich zu wahren?

Lauthin schnaubt die plumpe Wildsau, wenn sie durch das Dickicht keucht,

Aber leise kriecht die Viper, die nach deinen Fersen schleicht!

 

Einst verschnarchten dicke Pfaffen ganze Tag’ in süßem Schläflein,

Jetzt doch liegen auf der Lauer immer wach die dünnen Pfäfflein;

Jene brüllten ihre Inbrunst heulend in die Welt hinein,

Diese winseln ihren Jammer, Katern gleich im März, so fein.

 

Mächt’gen, schweren Folianten glichen einstens jene Dicken,

»Allgemeines großes Kochbuch« stand als Inschrift auf dem Rücken;

Einem schmalen kleinen Büchlein sind die Dünnen gleich, fürwahr,

»Kurzgefaßte Gaunerstücklein« beut das Titelblatt euch dar.

 

Mit der Grobheit und der Dummheit hattet einst den Kampf, ihr Alten,

Doch der Artigkeit und Schlauheit müssen wir die Stange halten!

Einstens rannten euch die Dicken mit dem Wanst die Thüren ein,

Doch es kriechen jetzt die Dünnen uns durchs Schlüsselloch herein.

 

Längst schon hat ein tapfrer Ritter kühn der Dicken Heer gebändigt,

Und als goldner Stern des Tages jene finstre Nacht geendigt,

Joseph hieß der Stern und Ritter! Wien, du kannst sein Denkmal seh’n

Ach und will denn gen die Dünnen nimmer solch ein Held ersteh’n?

 

O so steigt ihr Dicken wieder lebend aus der Todesurne!

Doch mit altem gutem Magen! Werdet christliche Saturne!

Und verschlingt den magern Nachwuchs, o dann sind wir beider los,

Denn nicht lange mehr kann leben, wer solch’ gift’ge Kost genoß!



(* 1808-04-11, † 1876-09-12)



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