Bundeslied


Nicht mit Spießen, Mörsern, Stangen

Ziehn wir in den heil’gen Streit;

Mag nach solchen Waffen langen,

Wer nicht bessre hält bereit!

 

Nicht ist in der Burg von Steine

Uns verschanzt der Heeresbann,

Nein, im Busen drin die seine

Schirmt wohl auch der einz’le Mann.

 

Dem sorglosen Feind beim Becher

Senden wir nicht Dolch und Gift;

Sonnenstrahl ist unser Rächer,

Weh, wen der ins Herz nicht trifft!

 

Nicht ein Streit um Landesmarken

Und um irdisch Gut und Blut,

Nein, uns macht zum Kampf erstarken

Ein unsterblich, göttlich Gut!

 

In dem dunklen Bauch der Berge

Suchet unser Zeughaus nicht,

Denn nicht sind Kobold’ und Zwerge

Lehrer uns in Recht und Pflicht.

 

Klimmt zu höchsten Bergesspitzen,

Dann vor euch im Sonnenstrahl

Seht ihr golden, silbern blitzen

Unser großes Arsenal.

 

Lichteswaffen, die kein Meister

Ird’scher Zunft euch schmieden darf,

Und womit der Herr der Geister

Einst die sünd’gen Engel warf;

 

Bundsgenossen, die entraffen

Uns kein Kerker mag, kein Schwert!

Fielen wir, stehn sie in Waffen

Unserm Recht noch, unversehrt.

 

Unsre Losung, hört sie schallen

Leis und laut im Lüftezug!

Vorwärts! rauscht der Strom im Wallen,

Vorwärts! dröhnt die Wolk’ im Flug.

 

Der Gedanke, der uns bündet,

Siegreich schwebt er ob dem All,

Dort als Nordens Licht entzündet,

Hier im Bergschacht als Kristall.

 

Aus des Vogels Kehle drängt er

Sich als Lied im Lüfteraum,

Und verwandelt wieder hängt er

Dort als Blüthenreis am Baum.

 

Wie ein süß Geheimniß spendet

Flüsternd ihn der Wiesenbach,

Doch als Donnerpredigt sendet

Ihn der Katarakt euch nach.

 

Ja der Blitz selbst, nachtentsprungen,

Wenn er durch die Wolken bricht,

Stottert nach mit trunknen Zungen

Gottes Wort: Es werde Licht!



(* 1808-04-11, † 1876-09-12)



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