An Adele


Laß mich nicht allein, Adele,

Nicht in weiter Welt allein!

Sonnen will ich meine Seele,

Weib, in deines Auges Schein.

 

Leg in meine deine Rechte,

Daß an Ader Ader wallt!

Schaurig draußen sind die Nächte,

Und die Tage o wie kalt!

 

In des Menschenschwarms Gewühle

Steh′ ich da betäubt und bang;

Daß nur Einer mit mir fühle,

Fruchtlos ist mein Herzensdrang.

 

Der Natur mich zu vertrauen,

Streif′ ich durch Gebirg und Wald;

Doch zurück von ihr treibt Grauen

In mich selbst mich wieder bald.

 

Ob das Herz in Freude schlage,

Ob es in Verzweiflung bricht:

Taub ist sie für unsre Klage,

Unsre Lust versteht sie nicht.

 

Ihre welken Blätter streut sie

Teilnahmslos auf unsre Gruft;

Nur aus unserm Staub erneut sie

Ihrer Lenze Blütenduft.

 

Laß mich nicht allein, Adele,

Nicht in weiter Welt allein!

Sonnen will ich meine Seele,

Weib, in deines Auges Schein!



(* 1815-08-02, † 1894-04-14)



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