Am Guadalquivir


Wo bist du, Wunderbau der Omajaden,

Az-Zahra, zauberisch am Silberfaden

Des rauschenden Guadalquivir gedehnt?

Braut Abdurrahmans, in der Schattenkühle

Des Mandelhaines auf die Rosenpfühle

Der Uferhügel hingelehnt?

 

Wo sind die Feste unter Myrtenlauben

Bei Brunnenrieseln und Gegirr der Tauben,

Bei Lampenglühn und buntem Wimpelflug,

Wenn auf dem Strom, in den krystallnen Tiefen

Die Lorbeerschatten spaltend, den Kalifen

Die schimmernde Galeere trug?

 

Wo deine Gärten längs des Uferrandes,

In denen mit den Feen des Abendlandes

Arabiens Peri sich besprach,

Wenn auf den blütenduftigen Terrassen

Voll weißer schimmernder Kiosks im blassen

Lichtschein der Sternenhimmel lag?

 

Und du, o Stadt der hochgewölbten Dome,

Milchstraßengleich mit deinem Häuserstrome

Auf deinen Erdenhimmel hingestreckt,

Fanal der Gläubigen, des Wissens Leuchte,

Die hellen Strahls zuerst das Dunkel scheuchte,

Das lang und tief die Welt bedeckt:

 

O Cordova! wo find′ ich deine Dichter,

Wo deine Schönen, glänzend wie die Lichter,

Die vom Serai der Nacht herniedersehn?

Wo sie, die mit dem Ruhm des Einig-Einen

Zum Himmel ragten aus den Cederhainen,

Die Halbmondkuppeln der Moscheen?

 

Gestürzt sind deine goldnen Minarete!

Der Isan schweigt! Nie mehr, wenn die Drommete

Die Gläubigen ermahnt zum heil′gen Kampf,

Entströmt das Heer der turbanbunten Mohren

Im eh′rnen Harnisch deinen hundert Thoren

Bei Allahruf und Roßgestampf.

 

Einsam inmitten deiner Trümmer ragen

Die Pfeiler, die das hehre Dach getragen,

Ein wipfelreicher Marmorwald;

Erloschen aber ist der Lampen Menge;

Nie mehr wallt Allah durch die Säulengänge,

Draus kein Gebet zu ihm mehr schallt;

 

Ein neuer Glaube füllt die Tempelhallen

Des Islam nun, die Stein auf Stein zerfallen,

Mit Orgelklang und Weihrauchqualm;

Bald stirbt auch er; des Hochaltars Gepränge

Deckt mählich Staub, und matt wie Grabgesänge

Verklingt der letzte Christenpsalm.



(* 1815-08-02, † 1894-04-14)



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