Das Grab der Liebe


Ballade

 

Es steht ein Fels von der Wog′ umrauscht,

In Provincia′s purpurnen Fluthen,

Da hab′ ich einst Seel′ um Seele getauscht

In liebezerschmelzenden Gluthen!

Es schwebten im ewigen Reihentanz

Die Sternlein auf mondlicher Wogen Glanz,

O heilige Stunde der Liebe!

Die Nachtigall sang im Myrtenhain

Aus den abendrothglühenden Schatten;

Es rief daß girrende Täubelein

Zur Liebe, zur Liebe den Gatten!

Und fernher ertönte von Thal und Höh′n

Ein flötendes schmachtendes Sehnsuchtsgetön

Aus liebedurchathmeten Schatten!

Ein Kirchlein steht auf des Felsens Haupt,

Der so prachtvoll die Fluthen umschauet;

Die Stirn vom flüsternden Ölbaum umlaubt,

Den Fuß von Wogen umgrauet!

O Trauter komm, steig′ auf des Felsens Höh′!

Dort schau′n wir in die unendliche See,

Unendlich gleich unserer Liebe!

Sie leitet ihn schnell den Fels hinan,

(O wie klopfet′s im liebenden Herzen!)

Er folgt auf der dornenumrankten Bahn,

Den Busen voll seliger Schmerzen!

Es blickte der Mond aus dem Wolkenkranz

Durchstrahlte der Bebenden Seelen ganz

Mit flammenden Pfeilen der Liebe.

Geschmiegt an′s Herz das klopfende Herz,

Und die Wang′ an die Wange gelehnet,

Zerflossen beid′ im unendlichen Schmerz,

Die schmachtenden Augen bethränet!

»In der Tiefe wohnt die selige Ruh′!«

So sang′s, so tönt′ es den Liebenden zu

Aus den silberglänzenden Wogen!

O Mutter der Lieb′, in deinen Arm

Nimm huldreich die liebenden Seelen!

So schwindet der bittere finst′re Harm,

Worin sie sich ängstlich zerquälen.

Sie sinken vereint vor dem Felsaltar,

Ein reines geweihetes Opferpaar,

Empfange sie Mutter der Gnaden!

»Und nun zurück in die öde Welt,

In die trübenden Fluthen des Lebens,

An starre Klippen das Herz zerschellt,

Und Lieb′ und Treue vergebens!

O wogende Fluth und o sternige Höh′,

O tiefer Schooß der unendlichen See,

Ihr endet die Qualen der Liebe!«

Und zögernd wanken sie Arm in Arm

Zu des Felsens tiefstürzendem Hange:

»Maria, der Liebenden dich erbarm′,

Sie liebten und litten zu lange!«

Und fest sich umschlingend und heiß umarmt,

Und Herz an klopfendem Herzen erwarmt,

So verschlangen sie schäumende Wogen!



(* 1765-06-03, † 1835-05-25)



Weitere gute Gedichte von Friederike Sophie Christiane Brun zum Lesen.