Begegnung


Mich führte durch den Tannenwald

Ein stiller Pfad, ein tief verschneiter,

Da, ohne dass ein Huf gehallt,

Erblickt ich plötzlich einen Reiter.

 

Nicht zugewandt, nicht abgewandt,

Kam er, den Mantel umgeschlagen,

Mir deuchte, dass ich ihn gekannt

In alten, längst verschollnen Tagen.

 

Der jungen Augen wilde Kraft,

Des Mundes Trotz und herbes Schweigen,

Ein Zug von Traum und Leidenschaft

Berührte mich so tief und eigen.

 

Sein Rösslein zog auf weisser Bahn

Vorbei mit ungehörten Hufen.

Mich fassts mit Lust und Grauen an,

Ihm Gruss und Namen nachzurufen.

 

Doch keinen Namen hab ich dann

Als meinen eigenen gefunden,

Da Ross und Reiter schon im Tann

Und hinterm Schneegeflock verschwunden.



(* 1825-10-11, † 1898-11-28)



Weitere gute Gedichte von Conrad Ferdinand Meyer zum Lesen.