Das Zeitgedicht


Ihr meiner zeit genossen kanntet schon

Bemaasset schon und schaltet mich - ihr fehltet.

Als ihr in lärm und wüster gier des lebens

Mit plumpem tritt und rohem finger ranntet:

Da galt ich für den salbentrunknen prinzen

Der sanft geschaukelt seine takte zählte

In schlanker anmut oder kühler würde -

In blasser erdenferner festlichkeit.

 

Von einer ganzen jugend rauhen werken

Ihr rietet nichts von quälen durch den stürm

Nach höchstem first- von fährlich blutigen träumen.

′Im bund noch diesen freund!′ und nicht nur lechzend

Nach tat war der empörer eingedrungen

Mit dolch und fackel in des feindes haus...

Ihr kundige las′t kein schauern - las′t kein lächeln -

Wart blind für was in dünnem schleier schlief.

 

Der pfeifer zog euch dann zum wunderberge

Mit schmeichelnden verliebten tönen - wies euch

So fremde schätze dass euch allgemach

Die weit verdross die unlängst man noch pries.

Nun da schon einige arkadisch säuseln

Und schmächtig prunken : greift er die fanfare -

Verlezt das morsche fleisch mit seinen Sporen

Und schmetternd führt er wieder ins gedräng.

 

Da greise dies als mannheit schielend loben

Erseufzt ihr: solche hoheit stieg herab!

Gesang verklärter wölken ward zum schrei!..

Ihr sehet Wechsel - doch ich tat das gleiche.

Und der heut eifernde posaune bläst

Und flüssig feuer schleudert weiss dass morgen

Leicht alle Schönheit kraft und grösse steigt

Aus eines knaben stillem flötenlied.



(* 1868-07-12, † 1933-12-04)



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