Blanke Nächte


Melodien eines Mondsüchtigen

 

Werdender Mond

 

1

 

Die hohen Pappeln starren eisendunkel.

Schwarzblaue Steine glimmen im grauen Wiesentau.

Bleich fließt die Nacht.

 

Eisgrüne Meere ziehen durch den tiefen Äther,

Und ihre lichten Wellen rühren an mein Blut.

 

Blau, in aschenweißen Fluten,

Schwingt ein dunkel Echo meines Körpers.

Bleich, von meinem Fleisch,

Reg entzündet Augen, meine Augen,

Und mit der blassen Strömung fließt mein blaues Bild.

 

2

 

Der Jasmin schwimmt heller aus den tiefen Büschen.

Seidenglanz gleißt durch das blaue Gras.

 

Ich weiß es nicht ... es ist ...

Ich sah dich schon vor Zeiten.

Doch damals, mein bleiches Bild,

Du blühtest tiefer, unergründlich silbern.

So tönen Schatten hohl aus einer Gruft.

 

3

 

Steil in schwarzen Zacken loht der Tann.

Milchhell Lachen schweben durch die Waldnacht.

An den Stämmen rinnen weiße Säfte.

Hoch aus graugespaltnen Wolken

Glimmt der grüne Ätherschnee.

 

Blauer schwellen deine Glieder,

Und der Eisduft deines Fleisches

Singt von fernen bleichen Ländern.

In den letzten violetten Wäldern

Blühen silberblasse Schluchten,

Wiegen marmorlichte Dolden blanke Düfte. -

Weiße Sehnsucht blendet scharf mein Blut.

 

4

 

Stahlweiß brennt in Nacktheit eine Insel

Aus dem schwarzgeschlossenen Nachtmeer.

 

Und mein blauer Schatten

Öffnet goldne Augen

Nach den silbernen Gestaden,

: Sieh der Weg liegt blank im Äther offen! -

 

Vollmond

 

5

 

Grellgestürzt schrille Schluchten.

Tief in phosphorgrünen Schachten

Glühen stumm metallne Spiegel,

Weiß und lautlos festerstarrt.

 

Du liegst eingegossen blau

Vor mir in dem klaren Erz.

 

Und ich knie nieder,

Meine Augen beten:

Strahle deinen blauen Atem in mein Blut.

 

6

 

Blaue Schatten knien an den Ufern.

Lächeln in die Silberspiegel,

Ihre gelben Augen singen hell und dunkel.

 

Alle, Kinder dieser bleichen Insel.

Blaue Wesen, die der Mond geboren.

Und die Feuer ihrer Augen

Glühen hell die Sprache ihres Schweigens.

 

Aus den weißen Spiegeln blühen

Blaue Echo ihrer Schatten.

 

Jeder betet zu dem eignen Bilde.

Ihre goldnen Phosphoraugen

Küssen heiß sich selber im Metall,

Und die blauen Wesen schmelzen bleichend,

In das eigne blaue Spiegelbild.

 

Durch die grünen Einsamkeiten

Wallt der Klagelaut der Blidatulpen,

Und die elfenbeinbleichen Kelche

Gießen Schnee.

 

7

 

Hoch am schneeigen Schachtrand

Rauschen weiß die Schwanenbäume,

Und aus grünem Eis die Blüten

Schwingen mit kristallenen Flügeln

Auf und nieder.

Silbermatt ihre Wellensänge

Gleiten durch die erznen Spiegel,

Das Metall schwingt mit den Düften,

Und sie wiegen dich im Lächeln

Ätherblau auf ihrem Silber.

 

O, ich liebe dich mein Knabe,

Und mein Blut will mit dir bleichen,

Und in einer blauen Welle mit dir schwingen.

 

8

 

Grüner glühn die Phosphorklippen,

Und die erznen Seen spannen

Heißer, blanker ihre Spiegel.

 

Tief bin ich in dich geschmolzen,

Weich in einer blauen Flamme

Tönen wir im bleichen Silber.

 

Ringsum zucken aus dem Spiegel

Kalt die weißen Seedakelche.

Blendend bleichen ihre Düfte

Unseres Atems tiefste letzte rote Welle.

 

Wir erstarren schweigend glühend,

Weiß im weißen erznen Spiegel.

 

Schwindender Mond

 

9

 

Bleich von Phosphor grünt die Stille.

Hochauf jagen starr eisfahl die Wände.

Schwarz am weißen Kluftrand brennt die Äthernacht.

 

Kupferfeurig einer roten Scheibe Bogen

Schwillt am weißen Schachtsaum,

Und die wilde Röte leckt

Murmelnd an dem blassen Eis.

 

Auf der höchsten blanken Klippenstufe

Zittert irisviolett eine dünne Tojablüte.

Weiße Fühler aus den rosigen Schuppen

Züngeln, tasten schlank gereckt

Nach der Glut der roten Scheibe.

 

10

 

Sieh, mein Liebling, unsere blaue Flamme

Blüht mattdünn, gespalten in zwei schwachen Blättern.

Feuerkeime sinken von der roten Scheibe.

Jener rote Bogen in dem schwarzen Äther

Ist die Erde.

 

11

 

Schon zur Hälfte überflutet

Schweres Rot den schwarzen Mund des Schachtes.

Schwarze Ströme rollen nieder.

Dunkel welkt die grüne Stille,

Und der weiße See erlischt aschendüster.

 

Stumpf wälzt der trübe Spiegel

Grau zerwühlt mein Silberbild.

 

12

 

Tief in grauerloschnen Gründen

Kochen wetterfahl die erznen Seen.

Eisenwellen sträuben schwarzen Schaum.

Mit den blauen Schatten wandeln wir,

Bleich in bleichem Kreise um die dunklen Ufer.

 

Alle, die einst lächelnd vor dem eignen Bilde knieten,

Seufzen einsam.

Rot in heiserm Scharlachschrei

Schwillt die Feuerscheibe lauter.

Rot in Tropfen zünden sich Pupillen.

Und die Schatten recken sich gerötet.

Hoch aus schwarzem Äther

Rollt die Feuerblüte näher.

 

13

 

Schwarze Kohlenäste sprießen,

Sprühen Asche auf das bleiche Eiland.

 

Ätherrauch erstickt das helle Eis.

Ferner rinnt das Singen welker Blüten.

 

Du mein dunkles Bild, grau versengt,

Müde löschen deine Augen,

Müde glimmst du in dem welken Licht.

 

Rot aus meinem Blute brechen

Feuerflügel, greifen nach den roten nahen Ufern.

 

14

 

Sacht ein letzter weißer Klang

Schwingt in schmalem, dünnem Bogen

Über lavadunklen Bergen

Und

Verklingt.

 

Schmal in grauem Schweigen

Zieht auf dünnen Nebeladern

Blass ein Schatten in die Schatten.

 

Toter Mond

 

15

 

Schwer die eisendunkeln Pappeln rauschen.

Schwül, ein heißdunkler Violenkelch,

Flammt der schwarze Himmel.

 

Ohne Echo starrt die Nacht.

Ohne Echo pocht mein Herz.



(* 1867-07-25, † 1918-08-29)



Weitere gute Gedichte von Max Dauthendey zum Lesen.