An die Marie vom Lande


Marie - Du ringst die derben Hände:

"Du Sündenbabul! Pfui Berlin!"

So streust Du über das Gelände

Den Dung und die Entrüstung hin.

So geußest Du ob dem gewellten

Asphaltreich den Kritikbericht...

Marie - es dürfen viele schelten!

Du nicht!

 

Bedenk, wir könnten Dir erschließen,

wie bei Dir draußen auf dem Land

- dem rechts der Elbe - Preise sprießen

die vormals dort kein Mensch gekannt.

Wir könnten Dir so manches zeigen

Von Polenarbeit, Menschenpflicht...

Es ist jetzt Krieg - und wir, wir schweigen.

Du nicht.

 

Wir sind durchaus nicht so begeistert,

von allem, was die Panke beut:

der Schieber, der die Wechsel meistert,

die Dame, die den Schieber freut;

das Kino-Café gegenüber,

der Händler, den der Hafer sticht...

Es gibt ja manche, die stehn drüber.

Du nicht.

 

Hör auf, uns sauer anzumucken -

Bei uns hast du damit kein Glück.

Man kann zwar leicht nach unten spucken,

nach oben nicht - das fällt zurück.

Hier ziehts! Du kannst Dich leicht erkälten -

Und Du stehst selber vor Gericht.

Marie - es dürfen viele schelten!

Du nicht!



(* 1890-01-09, † 1935-12-21)



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