Das Alter


Hoch mit den Wolken geht der Vögel Reise,

Die Erde schläfert, kaum noch Astern prangen,

Verstummt die Lieder, die so fröhlich klangen,

Und trüber Winter deckt die weiten Kreise.

 

Die Wanduhr pickt, im Zimmer singet leise

Waldvöglein noch, so du im Herbst gefangen.

Ein Bilderbuch scheint alles, was vergangen,

Du blätterst drin, geschützt vor Sturm und Eise.

 

So mild ist oft das Alter mir erschienen:

Wart nur, bald taut es von den Dächern wieder

Und über Nacht hat sich die Luft gewendet.

 

Ans Fenster klopft ein Bot′ mit frohen Mienen,

Du trittst erstaunt heraus - und kehrst nicht wieder,

Denn endlich kommt der Lenz, der nimmer endet.



(* 1788-03-10, † 1857-11-26)



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