Adelheid und Henrich, oder die neue Eva und der neue Adam (II)


Zweite Erzählung

 

Die arme Frau erblasset, seufzt und schweigt;

Der frohe Mann bewundert ihre Stille.

Allein ihr Aug′, ihr wildes Auge, zeigt,

Daß nichts, als Zorn, ihr ganzes Herz erfülle.

 

Ein Grieche schreibt, das weibliche Geschlecht

Empfinde mehr, als wir, bei jedem Triebe,

Und es besitz′ ein angebornes Recht

Zur Obermacht im Haß und in der Liebe.

Wer aber kennt die Schönen alter Zeit?

O wüßten wir nur unsre g′nug zu kennen!

Wie? Ist denn nicht auch die Empfindlichkeit

An Zeit und Ort oft vortheilhaft zu nennen?

 

Sie schweigt, und geht in ihr Gemach zurück.

Dort läßt ihr Leid die ersten Zähren fließen,

Ihr Hannchen folgt, und weissagt ihr das Glück,

Der Rache Lust in Kurzem zu genießen.

Und sie versetzt: Mein Mann verfahre nur

Nach jedem Punkt der übereilten Wette!

Ich räche mich. So will es die Natur,

Weil ich zugleich der Weiber Leumund rette.

Nichts übertreff′ auch jetzt die Frauenlist,

Nichts meine Kunst, mich glücklich zu verstellen,

Und einem Herrn, der so unfehlbar ist,

Die weitre Lust zum Wetten zu vergällen!

 

Sie bildet sich, nach ihres Spiegels Rath,

Den blöden Blick, die traurigen Geberden,

Schleicht zum Gemahl, und sagt, die Missethat

Sei ewig werth, vermaledeit zu werden,

Und fügt hinzu: Mich lehrt mein Eigensinn,

Wie sehr auch ich der Even angehöre.

Verdamme mich, mein Richter; denn ich bin

Der Frauen Schimpf, und keines Mannes Ehre.

Ich will daher, zur Tilgung meiner Schuld,

Die Weiber selbst, die ich beschäme, fliehen,

Und auf ein Jahr, in einsamer Geduld,

Mich deinem Arm und deinem Kuß entziehen.

 

Henrich.

 

Nein, Adelheid. Die Buße, die du wählst,

Ist unerlaubt; die nenn′ ich ein Verbrechen.

Und, wenn du ja, nach Art der Schwachen, fehlst,

So mußt du das nicht an dem Manne rächen.

 

Adelheid.

 

Der hohe Geist der Tugend, die dich ziert,

Darf gegen mich sich der herunterlassen?

Der, die, wie ich, der Klugheit Ruhm verliert,

Ist es genug, willst du sie nur nicht hassen.

 

Henrich.

 

O stelle doch das spröde Scherzen ein.

Das erste Weib verdient′, und fand Erbarmen.

Du gleichest ihr. Ich will dein Adam sein,

Und trostreich dich nach deinem Fall umarmen.

 

Adelheid.

 

Wie? Uebers Jahr?

 

Henrich.

 

Ist dieses mehr, als Scherz?

 

Adelheid.

 

Sieh meinen Ernst aus diesem Abschiedsgruße.

Nur Reu′ und Leid beschäftigten mein Herz.

Was ich verwirkt, bezeuget meine Buße.

 

Er fleht, er droht. Was hilft ihm Drohn und Flehn?

Sie will sich nun in Trauerkleider stecken.

Des Zimmers Wand, das sie sich ausersehn,

Muß man sogleich mit schwarzem Boy verdecken.

Er läßt sie dort, sucht Spiel und Zeitvertreib,

Geht auf die Jagd mit kriegerischer Hitze,

Und denkt vielleicht, daß ein verdrießlich Weib

In Monatsfrist viel Eigensinn versitze.

Doch weil sie jung, schön und gefällig war,

Fällt ihm es schwer, jetzt ohne sie zu leben.

Er stellt sich ihr die erste Woche dar,

Und bittet sie, den Vorsatz aufzugeben.

So schmeichelhaft, unehelich-verliebt,

So buhlerisch erklärt er seine Klagen,

Daß nur die Lust, die Rach′ und Schalkheit gibt,

Sie fähig macht, ihm alles abzuschlagen.

 

Adelheid.

 

Ein volles Jahr bleibt meiner Buße Ziel.

Mich will ich hier, allein um dich, beweinen.

Da ich so sehr dem klügsten Mann gefiel,

Wie muß ich jetzt ihm niederträchtig scheinen?

Ich lieb′, ich ehr′, und dennoch meid′ ich dich;

Ich wußte mir nichts Schwerers aufzulegen.

Gedenkest du, noch übers Jahr, an mich,

So dulde mich, um meiner Leiden wegen.

Die man versucht, ist schon dem Fehltritt nah.

Das hätt′ auch ich recht überlegen sollen.

O daß ich nicht auf diese Wahrheit sah!

O daß du mich so hart versuchen wollen!

 

Henrich.

 

Wie wunderbar ist deine Phantasei!

Wie lassen sich die schlimmen Folgen hindern?

Entdecke mir, ob ich vermögend sei,

Die Bitterkeit der Buße dir zu lindern.

 

Adelheid.

 

Vermögend? Du? Mein Retter und mein Mann!

Es kam durch dich; doch wird es nicht geschehen.

Gäb′ ich dir gleich ein sichres Mittel an,

So würdest du dich nicht dazu verstehen.

Dein Vorzugsrecht erhebt für meinen Sinn

Dich viel zu hoch: mir mußt du dich erniedern.

Fall auch so tief, als ich gefallen bin.

Nur diese Gunst kann meine Lieb′ erwiedern;

Nur dieser Gunst, Herr, setz′ ich alles nach.

 

Henrich.

 

Noch kann ich nicht die Rettungsart ergründen.

 

Adelheid.

 

Sei nur einmal, nur mir, freiwillig schwach.

Laß mich in dir auch einen Adam finden.

Sein Unglück kam allein aus Evens Hand.

Doch theilt′ er gern mit ihr die Schmach und Bürde

Das thu′ ihm nach. Das hebt den Zwischenstand,

Und bringet uns in eine gleiche Würde.

Was ich jetzt will, verletzt nicht Pflicht noch Recht,

Und zielt auf nichts, als daß, zu meiner Ehre,

Das männliche, das weisere Geschlecht

Vom eitlen Stolz zur Demuth sich bekehre.

 

Henrich.

 

Was soll ich thun?

 

Adelheid.

 

Nur eine Kleinigkeit:

Zwölf Faden nur aus meinem Rocken spinnen.

 

Henrich.

 

Wie nenn′ ich dich? halb oder ganz gescheidt,

Da du es wagst, mir dieses anzusinnen?

Gewiß, dir träumt. Du redest fieberhaft.

Ich werde nun vier Wochen mich entfernen.

In kürzrer Zeit läßt sich die Wissenschaft

Der Spinnerei von mir nicht halb erlernen.



(* 1708-04-23, † 1754-10-28)



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