Kühl und hart


Kühl und hart ist der heutige Tag.

Die Wolken erstarren.

Die Winde sind zerrende Taue.

Die Menschen erstarren.

Die Schritte klingen metallen

Auf erzenen Steinen,

Und die Augen schauen

Weite weiße Seen.

 

In dem alten Städtchen stehn

Kleine helle Weihnachtshäuschen,

Ihre bunte Scheiben sehn

Auf das schneeverwehte Plätzchen.

Auf dem Mondlichtplatze geht

Still ein Mann im Schnee fürbaß,

Seinen großen Schatten weht

Der Wind die Häuschen hinauf.

 

Menschen, die über dunkle Brücken gehn,

vorüber an Heiligen

mit matten Lichtlein.

 

Wolken, die über grauen Himmel ziehn

vorüber an Kirchen

mit verdämmernden Türmen.

Einer, der an der Quaderbrüstung lehnt

und in das Abendwasser schaut,

die Hände auf alten Steinen.

 

(Aus einem Brief Kafkas vom 9. November 1903, in dem er als Zwanzigjähriger

seinem Schulfreund Oskar Pollak von "einigen Versen" schreibt, die er "in

guten Stunden lesen" möge)



(* 1883-07-03, † 1924-06-03)



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