An den Himmel


O schöner, blauer Himmel,

Der über mir gewölbet,

Sich in der weiten Ferne

Zur Erde niedersenket,

Warum vermag dein Ende

Ich nie, nie zu erreichen?

Wie oft, auf freier Ebne,

Lief ich aus allen Kräften

Dem Orte zu, wo freundlich

Die Erde du berührest,

Und sah, dort angelanget,

Mich jedesmal getäuschet:

Denn während meines Laufes

Warst mitleidslos du weiter

Gerückt. Wenn du mit mir doch

Verführst, wie manche Mutter,

Die, um ihr träges Kindlein

Zu üben, einen Apfel

Mit rothen Wangen oder

Die honigsüße Birne

Ihm in erhobner Hand zeigt,

Mit Worten es ermunternd.

Das Kind, das Obst zu haschen,

Stellt ein- und zwei- und vielmal

Sich auf die schwachen Füße,

Und zehnmal sind mißlungen

Die eifrigen Versuche.

Da läßt zuletzt die Mutter

Es des Erfolges seiner

Bemühungen sich freuen.

Ich klage nicht darüber,

Daß du das Ziel stets weiter

Und weiter rückest; laß mich

Nur endlich einmal deinen

Anmuth′gen Rand erreichen,

Und in die Wolken steigen,

Die, Hügelreihen ähnlich,

Auf ihm empor sich schichten.

Laß wie in einem Boote

Du mich von ihnen tragen

Von einem Ort zum andern,

Und aus der Luft die Erde

Mich unter mir erblicken

Gleichwie im Vogelfluge.

Sei du nicht bang, o Himmel,

Der Kopf wird mir nicht schwindeln.

Fahr′ ich doch dreist im Kahne

Oft über all den Wundern

Der Wasserwelt, und sehe

In Reihen umgestürzte

Gebäude, Bäume, Thürme

Tief unter mir sich regen.

O laß dich, guter Himmel,

Ein einzig Mal erbitten!



(* 1808-07-05, † 1825-11-19)



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