Hagens Sterbelied


Nun werd ich sehr alleine!

Die Fürsten liegen tot -

Wie glänzt im Mondenscheine

der Estrich blutig rot!

 

Die fröhlichen Burgunden,

wie sie nun stille sind!

Ich höre, wie aus Wunden

das Blut in Tropfen rinnt.

 

Es steiget aus dem Hause

ein Dunst von Blute schwer,

Schon kreischen nach dem Schmause

die Geier rings umher.

 

Es schläft der König Gunter

in fieberwirrem Schlaf,

Seit ihn vom Turm herunter

ein spitzer Bolzen traf.

 

Und Volker liegt erschlagen;

er lachte, wie er fiel:

"Nimm all mein Erbe, Hagen,

nimm du mein Saitenspiel."

 

Er trug, vor Heunentücken

geschirmt, die Fiedel traut

Auf seinem sichern Rücken,

den nie ein Feind geschaut.

 

Sie scholl wie Nachtigallen,

wenn Volker sie gespannt:

Wohl anders wird sie schallen

in meiner harten Hand.

 

Vier Saiten sind zersprungen -

drei haften noch daran! -

Ich habe nie gesungen,

ich bin kein Fiedelmann.

 

Doch treibt mich′s zu versuchen,

wie Hagens Weise geht;

Ich denk, ein gutes Fluchen.

ist auch kein schlecht Gebet!

 

So sei′n verflucht die Weiber,

Weib ist, was feig und schlecht:

Hier um zwei weiße Leiber

verdirbt Burgunds Geschlecht!

 

Und Fluch dem Wahngetriebe

von Sitte, Liebe, Recht:

Erlogen ist die Liebe,

und nur der Hass ist echt.

 

Die Reue ist der Narren!

Nur das ist Atmens wert,

Im Tod noch auszuharren

beim Groll, beim Stolz, beim Schwert

 

Und hätt′ ich zu beraten

neu meine ganze Bahn,

Ich ließe meiner Taten

nicht eine ungetan.

 

Und käm, der Welt Entzücken,

ein zweiter Siegfried her,

Ich stieß′ ihm in den Rücken

zum zweitenmal den Speer!

 

Was reißt ihr, feige Saiten?

Versagt ihr solchem Sang? -

Ha, wer mit mächt′gem Schreiten

kommt dort den Hof entlang?

 

Das ist kein Heunenspäher,

das dröhnt wie Schicksalsgang,

Und näher, immer näher --

ein Schatte riesenlang. -

 

Auf, Gunter, jetzt erwache,

den Schritt kenn ich von fern:

Auf, auf! der Tod, die Rache

und Dietrich kommt von Bern!



(* 1834-02-09, † 1912-01-03)



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