l. Ein Sterbender
Er lag so bleich, so todeskrank
In heißen Fiebergluten,
Der Hoffnung letzter Anker sank
In bodenlose Fluten.
Da sah er einmal noch hinaus —
Das Auge, fast verglommen -
Und sah durch Baum und Rosenstrauß
Den jungen Frühling kommen.
Und leise öffnet sich die Thür
Und mit verschämtem Wesen
Ein weinend Mädchen tritt herfür -
Das ist sein Lieb gewesen.
Und wie ers sieht und wie ers drückt,
Da hat es drauß geklungen —
Ein Wandersmann hat still beglückt
Von ihm ein Lied gesungen.
Da preßt er noch sein Lieb ans Herz
Im letzten Todesschauer,
Und ruft entzückt: o süßer Schmerz!
O freudenvolle Trauer!
Was ich geliebt in stiller Lust —
Es ist mit Engelsmienen,
Als hält es meinen Gram gewußt,
Dem Sterbenden erschienen.
O fand ich doch das rechte Wort,
Den Jubel die zu sagen,
Der mich vom dunklen Todesport
Nochmal zurückgetragen.
O wäre mir es noch vergönnt,
Daß ich ihn dir beschriebe.
Daß ich ihn dir noch sagen könnt
Den letzten Schmerz der Liebe. —
Leb wol! Und wenn dich Einer fragt
Um meine letzten Worte,
Sag ihm, daß ich recht tief bewegt
Verließ des Lebens Pforte.
Und sag ihm noch — den letzten Laut
Rief ich mit Todesbeben:
O freier Tag! dein Morgen graut,
O könnt ich dich erleben!
Sag ihm, es sei — im Tod gewiegt -
Mein letzter Trost gewesen,
Daß jubelvoll die Freiheit siegt —
Indeß ich muß verwesen.
ll. Ein Leidender
Er saß in Gedanken versunken
Im lichten Morgenschein,
Und sah in die Sonnenfunken
Mit stillem Ernst hinein.
Wann wird der Geist erstehen
Zu solchem Morgenglanz —
Der Glaube muß vergehen
Und alle Hoffnung ganz.
Es treibt so schöne Blüten
Der grüne Lebensbaum,
Doch kalte Stürme wüten
Und Blüten sind nur Traum.
Die Frucht gibt erst die Wahrheit
Doch nie kommt es zur Frucht,
So lange man der Klarheit
Des Geistesfrühlings flucht!
Da faßt ihn so tiefe Trauer,
Die keinen Trost verheißt,
Daß in der Wehmut Schauer
Ein starker Geist zerreißt.
Es drückt ihn mit solchem Bangen
Die Erdenkerlerluft,
Daß er, vom Wahnsinn gefangen:
"In die Freiheit will ich!" ruft.
Und er wankt mit dem Ruf im Munde:
"In die Freiheit will ich!" herum —
Das ist des Lebens Wunde — —
Doch still, mein Lied, verstumm!