Im Sand


Und wieder lieg ich

nackt

im Sande ...

die Sonne glüht mir durch die Adern und ich freue mich der stillen Kraft, die mir die Glieder dehnt ...

und sehe den Quallen zu, die von den Wellen an den Strand getrieben werden ... hilflose Dingerchen! und jede doch ein Kunstwerk, wie es noch kein Künstler nachgeschaffen! ... so klein und fein und so geheimnislos durchsichtig und in jeder Faser doch ein ungelöstes Wunder! ...

und ... träume

und gucke in den Himmel

und recke mich

und riesle mir Sand über die Brust

und lache laut, wie schön, wie köstlich es ist: zu leben!

 

Und dann

sitz ich auf einem Felssturz nebenan, die Kniee hochgezogen, und sehe mir zu, mir selber, wie ich da liege und mich sonne ... neugierig, wie man irgend etwas Fremdem ... Unbekanntem zusieht,

einer Pflanze,

einem Tier, das man so fände.

 

Wie wunderbar doch eigentlich: dieses glatte, weiche, weiße Fleisch ... eine Handvoll Sand und Erde!

und wie wunderbar, wie sich das bildet und zu Leben wird und formt und wächst und reift ... immer aus der großen Erde heraus ... und immer dem Licht entgegen ... wie das kleinste Hälmchen, wie der riesigste Baum!

und wie es sich bewegen kann und schreien und lachen, mit tausenderlei Sehnsucht, mit tausenderlei Willen, und daliegen wieder, lautlos still wie etwas Totes ...

und wie stolz es dann, wenn es die Augen aufmacht, sich auf seine Füße stellt und die Arme reckt ...

und wie klug es sich hat, dieses bißchen Leben, wie geschickt und sinnreich es sich überall anzupassen und alles sich zu Nutz zu machen weiß ...

über die Meere kann es schwimmen, über die Länder kann es laufen, zu den Sternen kann es reichen ...

wie ein kleiner Gott ... allmächtig, allwissend, allsehend ...

 

und wie es dann doch wieder dasteht: furchtsam, hilflos, blind, in zwergenhafter Winzigkeit und Ohnmacht ... nichts, als eine Handvoll Sand, die ein leichter Wind im nächsten Augenblick schon spurlos in den Sand verweht.



(* 1864-05-12, † 1920-10-16)



Weitere gute Gedichte von Cäsar Flaischlen zum Lesen.